NEIN!!!




Meine Mutter könnte ein Lied davon singen. Nach ihr viele andere auch. Vielleicht bin ich schon mit einem Nein auf den Lippen geboren worden, so sagt es jedenfalls das Gerücht. Auf jeden Fall hat es mir mein Leben nicht eben leichter gemacht und das meiner Lieben auch nicht. Immer zweifle ich, immer stelle ich in Frage, immer versuche ich hinter die Kulissen zu schauen. Das nervt! Nicht nur mein Gegenüber, sondern auch mich selbst. Es wäre manchmal so viel einfacher Ja zu sagen, statt immer wieder zu diskutieren. Neinsager sind meist nicht sehr beliebt. Nein-sagen macht alles komplizierter.

Wie oft tun wir etwas, von dem wir eigentlich wissen oder zumindest ahnen, dass es falsch ist. Trotzdem tun wir es, weil es dem entspricht, was von uns erwartet wird oder weil man es halt so tut. Wir gehen Streit und Diskussionen aus dem Weg, weil es anstrengend, manchmal zermürbend und angeblich nicht erwachsen ist. Lieber harmonisch die Probleme unter den Teppich kehren, nicht hinschauen, dann sind die Probleme vielleicht nicht mehr da.

Wenn ich mir die letzten Monate so anschaue, bin ich immer wieder sprachlos. Es passieren so viele Dinge in unserem Land, die dringend unseren Widerspruch benötigen. Sei es Kinderarmut, Altersarmut, fehlende Wohnungen, Kriegsbeteiligung, Waffenlieferungen, Pflegenotstand, ein "Bildungssystem" das jeder Beschreibung spottet, ein Jens Spahn der die Notfallbehandlung in Kleinkliniken abschaffen will, "Intellektuelle", die über den Untergang des Abendlandes schwafeln usw.

Und was tun wir? Wir hören Angela Merkel von "Alternativlosigkeit" reden und sagen: "Ja Mutti, ja du hast Recht, ja natürlich wählen wir dich wieder. Ja, du wirst es schon für uns richten. Nicht schlimm, dass VW einfach weitermachen kann, dass auch diese Rechnung wir selbst bezahlen. Nicht schlimm, dass wir im Alter, nach 45 Jahren Arbeit, zusätzlich Sozialhilfe beantragen müssen. Nicht schlimm, dass unsere Kinder keine Arbeit mehr finden werden. Hauptsache es gibt dann fliegende Taxis. Und Hauptsache meinem Nachbarn gehts nicht besser als mir." Das fühlt sich so schön kuschelig an. Aber was tun wir damit eigentlich?

Mit unserem Ja lassen wir zu, dass unsere Lebensarbeitszeit ungestraft erhöht wird, entgegen jedem bisschen gesunden Menschenverstand. Es wird in Zukunft weniger Lohnarbeit vorhanden sein, weniger Arbeitsplätze, für weniger Menschen geben. Was wird also getan? Wir verlängern die Arbeitszeit auf 48 Sunden pro Woche und das Rentenalter auf 67 oder noch besser auf 70. Das heißt, weniger Arbeit wird auf noch weniger Menschen verteilt. Und wir sagen immer noch: "Ja Mutti!" Das ist doch ein Skandal! Wir sollen im Alter, den Jungen die paar Arbeitsplätze wegnehmen?
Da muss man doch Nein sagen! Nein, nicht mit uns!
Wir sollen als Alte zum Sozialamt gehen? Nein, nicht mit uns!
Manager verdienen 500 x mehr als ein Facharbeiter? Nein, das wollen wir nicht mehr!
Die Banken werden nicht kontrolliert? Nein, das darf nicht sein!
Wir sind der viertgrößte Waffenhersteller der Welt? Nein, wir wollen nicht, dass Menschen durch deutsche Waffen sterben!

Zum Nein-sagen gehört Mut, wir machen uns damit angreifbar. Wir müssen diesen Mut aber aufbringen, sonst geht uns unsere Zukunft verloren. Dann leben wir ein Leben, das andere für uns gestalten und das wir nur hinnehmen. Das können wir doch nicht wollen. Wir müssen skeptisch gegenüber unbewiesenen Behauptungen sein, uns eigene Gedanken machen, selbstständig denken und nicht Vorgekautes schlucken, eine eigene Meinung bilden und dabei offen für die Argumente der anderen bleiben. Ich weiß, das ist anstrengend, aber es lohnt sich, denn es bedeutet das Leben in die eigenen Hände zu nehmen und Entscheidungen nicht anderen zu überlassen. Es bedeutet aber auch Verantwortung zu übernehmen für das eigene Tun. Und vielleicht ist gerade das die Crux, denn es ist immer einfacher zu sagen: "Das waren die anderen!" Wie im Kindergarten!

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