"Liebe gute Herzensjenny,..."

Alle schreiben über Karl Marx. Na gut, er wird 200 Jahre alt oder wäre es geworden. Es sei ihm gegönnt. Ich werde trotzdem nicht über ihn, sondern über Jenny, seine Frau, schreiben.

Jenny von Westphalen kam aus "gutem Haus". In Trier, wohin ihr Vater versetzt worden war, verlobte sie sich heimlich mit Marx, der 4 Jahre jünger war. Sie heirateten nicht einfach, sondern schlossen, nach 7 Jahren Verlobungszeit, zuerst einen Ehevertrag für eine Gütergemeinschaft. Die Trauung gaben sie dann beide in der Zeitung bekannt, was ungewöhnlich war. In der Regel stand das nur dem Ehemann zu.

Sie wurde seine Sekretärin, seine Kampfgefährtin. Allein das Abschreiben seiner oft unleserlichen Manuskripte ist uns heute kaum noch vorstellbar. Ihre jüngste Tochter Eleanor Marx-Aveling schreibt: „Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, ohne Jenny von Westphalen hätte Karl Marx niemals der sein können, der er war.“

Wie hart dieses unruhige, getriebene Leben gewesen sein muss, darüber können wir nur spekulieren. Sie muss ihn wirklich und wahrhaftig geliebt haben um die Armut, die Umzüge und den Tod von vieren ihrer Kinder zu überleben.  Man sagt, sie wäre hysterisch (!?) gewesen. Kein Wunder bei den Lebensumständen der Familie. Kein Geld für die Miete, kein Geld für Essen, kein Geld für Kohlen im Winter. Aber natürlich wäre das zu kurz gegriffen, galten zu dieser Zeit doch alle intelligenten, selbstbewussten, streitbaren Frauen als "hysterisch".
Sie war offensichtlich eine äußerst intelligente, scharfsinnige Frau, die maßgeblich an Marxs großen Werken, allen voran dem "Kommunistischen Manifest", beteiligt war. Die ersten Zeilen des "Manifestes" stammen von ihr. Sie schrieb selbst Texte über die Märzrevolution und Theaterkritiken für große Zeitungen. Die Verträge mit Verlagen handelte Jenny aus. Für beide war das Forschen ein großes, geistiges Abenteuer.
Ab 1840 ist sie selbst in der Arbeiterbewegung aktiv und setzt sich für die sozialistische Idee ein. 1848 wird sie wegen der Mitgliedschaft in einer Arbeitervereinigung inhaftiert und muss 1849 Deutschland verlassen. Sie gehen nach London, das bis zu ihrem Tod, 1881, Exil bleibt, nie neue Heimat wird.
Manche Autoren vermuteten in ihr das "passive Opfer eines Exzentrikers", auch begründet durch den "Fehltritt" Karls. Ein daraus entstandenes Kind erkannte Engels als das Seine an. Doch für die Opferrolle war sie eine zu starke, zu intelligente und zu selbstbewusste Frau. Es würde ihre Leistung schmälern, würde man sie dazu machen. 
Natürlich hinterließ das schwere Leben seine Spuren. Armut, schlechte Unterkunft und Mangelernährung, all das nagte an der Gesundheit der ganzen Familie. Nur drei ihrer Kinder erreichten das Erwachsenenalter. Beide Eheleute waren immer wieder krank. Trotz aller Widrigkeiten kümmerten sie sich liebevoll umeinander.

Jenny Marx stirbt 1881 in London an Krebs.

Am besten lernt man Jenny Marx wohl durch die Aussagen ihrer Freunde und Wegbegleiter kennen.
Paul Lafargue sagte über sie: "Sie besaß einen heiteren und glänzenden Geist. Die an ihre Freunde gerichteten Briefe, welche ihr mühe- und zwanglos nur so aus der Feder flossen, sind wahrhaft meisterliche Leistungen eines lebhaften und originalen Geistes. Es galt für ein Fest, einen Brief von Frau Marx zu erhalten…", 

"Frau Jenny Marx hatte ich bereits kennengelernt, sie war eine vornehme Erscheinung, die sofort meine Sympathie gewann, die ihre Gäste in der scharmantesten und liebenswürdigsten Weise zu unterhalten verstand. […] Als ich am Tage vor unserer Abreise noch einmal die Marxsche Familie besuchte, lag Frau Marx zu Bett. Auf meine Bitte, mich verabschieden zu dürfen, führte mich Marx zu ihr mit der strengen Weisung, nicht länger als eine Viertelstunde mit ihr zu plaudern. Aber wir gerieten sofort in eine so animierte Unterhaltung, daß ich ihren Zustand ganz vergaß, und aus der Viertelstunde wurde mehr als eine halbe Stunde. Da trat der ungeduldig gewordene Marx ein und hielt mir eine Strafpredigt, ich wolle ihm wohl seine Frau zugrunde richten? Wehmütig nahm ich Abschied von ihr, denn das Leiden, an dem sie litt, war unheilbar. Ich sah sie nie wieder. Sie starb bereits im nächsten Jahr", August Bebel. 

Und Friedrich Engels sagt an ihrem Grab: „Was eine solche Frau, mit so scharfen und so kritischem Verstand, mit einem so sicheren Takt, mit solch einer leidenschaftlichen Energie, solch großer Kraft der Hingabe, in der revolutionären Bewegung geleistet, das hat nicht an die Öffentlichkeit vorgedrängt, ist niemals in den Spalten der Presse erwähnt worden. Was sie getan hat, wissen nur die, die mit ihr gelebt haben. Aber ich weiß, dass wir ihre kühnen und klugen Ratschläge vermissen werden – kühn ohne Prahlerei, klug, ohne der Ehre etwas zu vergeben.“ 



Kommentare

  1. Wie immer: eine unterschätzte, verächtlich gemachte großartige Frau mit vielen guten Gaben, die sie genutzt hat, um Großes zu ermöglichen. Schön, einen solchen Beitrag lesen zu dürfen. Danke & liebe Grüße!
    Astrid

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